| Die französischen Fans unterstüzen ihr Team im Stadion. Hier beim Spiel gegen Nigeria in Frankreich. Foto: Lucie Dupin | 
Knapp zwei  Wochen sind gespielt, acht Teams bleiben für die Finalrunde. Deutschland  und Frankreich haben sich souverän qualifiziert. Für Deutschland war  das Erreichen des Viertelfinales Pflicht. Für Frankreich ist es ein  historischer Erfolg. Von steigender Euphorie ist in Frankreich dennoch  wenig zu merken.
Als am vergangenen Dienstag Frankreich das Topspiel gegen Titelfavorit Deutschland bestritt, saßen in Deutschland über 16 Millionen Zuschauer vor den Fernsehern (51,9% Marktanteil). In Frankreich sahen im Schnitt 316.000 Zuschauer das Spiel live auf Eurosport. So viele wie nie zuvor. Der kleine Sender Direct8 übertrug die Partie zeitversetzt. Anpfiff war da erst um 22.40 Uhr. 360 000 Zuschauer schalteten ein, das entspricht einem Marktanteil von 3,3%. Der durchschnittliche Marktanteil von Direct8 liegt bei 2,5%. (mehr dazu gibt's hier)
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Während in Deutschland mehr als die Hälfte aller Fernsehzuschauer das Spiel sahen, war es in Frankreich nicht mal jeder Zehnte. Auch wenn das für Eurosport und Direct8 gute Ergebnisse sind, kann für Frankreich von ganz großer Euphorie nicht die Rede sein.
Das überrascht  zumindest ansatzweise, spielt die französische Mannschaft doch die beste WM  ihrer Geschichte. Noch nie zuvor hatte sich eine französische  Frauenmannschaft bei einer WM für das Viertelfinale qualifiziert. Nach  dem Zittersieg gegen Nigeria (1:0) und der Galavorstellung gegen Kanada  (4:0) stand die Mannschaft sogar ein paar Tage vor  Frauenfußball-Übermacht Deutschland. Doch die Euphoriewelle schwappt  nicht über den Rhein. In der großen Tageszeitung Le Parisien wurde  über das Spiel Deutschland gegen Frankreich erst auf Seite 20  berichtet. Über Männerfußball berichtet die Zeitung sonst ausführlich  und weit vorne im Blatt. Ähnlich ist es beim Onlineangebot der großen  Sporttageszeitung L'Equipe. Auch  hier ist die WM zwar zu finden, es wird aber alles andere als  umfangreich berichtet. Unter einem Interview mit der französischen  Torschützin gegen Deutschland, Laura Georges, kommentiert ein Leser was  womöglich viele Franzosen denken: „Vu le niveau, je comprends  que ce ne soit pas médiatisé. Et franchement, il faut arrêter de  comparer avec le foot masculin! Sans être mysogine, le foot féminin  n'est pas du tout attractif!!!“  (Übersetzung: Bei dem Spielniveau ist mir klar, dass das in den Medien  keine Rolle spielt. Und mal im Ernst, wir dürfen das nicht immer mit dem  Männerfußball vergleichen. Ohne frauenfeindlich zu sein, Frauenfußball  ist einfach überhaupt nicht attraktiv!!!)  
Dabei ist das Spielniveau bei dieser WM deutlich höher als bei den vorherigen Turnieren. Die Leistungsunterschiede sind kleiner geworden. Die knappen Ergebnisse der großen Mannschaften gegen die kleinen zeigen das (z.Bsp. Kolumbien – Schweden 0:1). Und auch der Fall Deutschland spricht eine deutliche Sprache: War die Mannschaft bei der letzten WM komplett ohne Gegentor geblieben (Rekord), gab es dieses Jahr bei der WM in drei Spielen schon drei Gegentore.
Aus  deutscher Sicht ist die WM zwar bei weitem keine Neuauflage des  Sommermärchens 2006. Ein großer Erfolg ist das Turnier dennoch. Die Einschaltquoten bei Topspielen sind überragend.  Und die Stadien sind gut gefüllt. Mehr als 700.000 der 900.000  angebotenen Karten sind verkauft. Damit wurde das Ziel mindestens 80%  Stadionauslastung erreicht. Doch wurde mit starken Gruppenrabatten und  Freikarten auch viel getan, um Zuschauer in die Stadion zu bekommen.  (Mehr dazu: Wer geht da ins Stadion? Auf Zeit Online).  
Doch  hat diese neue Popularität auch ihre Schattenseiten. Die deutsche  Mannschaft hat in den ersten Spielen deutlich unter dem Druck der  Öffentlichkeit gelitten. „Natürlich haben die Leute Erwartungen. Und in den ersten beiden Spielen hat uns das ein bisschen gelähmt",  beschreibt es  die Torfrau Nadine Angerer nach dem Spiel gegen  Frankreich. Und auch Trainerin Sylvia Neid zeigt sich überrascht vom  Trubel. „Wir haben uns versucht vorzustellen, dass es ein  tolles Event wird. Haben aber nicht damit gerechnet, dass unsere  Spielerinnen keinen Schritt vor's Hotel mehr machen können.“  Leidtragende war insbesondere Birgit Prinz, die bis dato wichtigste  Spielerinn der deutschen Mannschaft. Nach durchwachsenen Leistungen in  den ersten beiden Spielen, entbrannte eine heiße Diskussion um ihre Form  und ihre Bedeutung für die Mannschaft. Prinz selbst hat das kürzlich so  formuliert: „Es hatte was von einer Hetzjagd.“  Ihren Stammplatz scheint sie verloren zu haben. Eines hat sie dabei  aber mit Sicherheit gelernt: Frauenfußball ist nach wie vor nicht  jedermanns Sache. Er steht aber zur Zeit in Deutschland so sehr im Fokus  wie noch nie. Die Spielerinnen der Nationalmannschaft, die in der  Bundesliga teilweise vor 500 Zuschauern spielen müssen jetzt erfahren,  was es heißt Stars zu sein.  
Die  Französisinnen sind von dieser Situation noch weit entfernt. Der Druck  auf sie ist deutlich geringer. Wahrscheinlich sind sie froh darum. Sie können frei aufspielen. Wer weiß, vielleicht ist das ja der entscheidende Faktor bei einem deutsch-französischen Finale. 
Von Till Neumann
Von Till Neumann
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