Samstag, 9. Juli 2011

Halbzeit der WM – Rekorde in Deutschland und Frankreich

Die französischen Fans unterstüzen ihr Team im Stadion. Hier beim Spiel gegen Nigeria in Frankreich. Foto: Lucie Dupin
Knapp zwei Wochen sind gespielt, acht Teams bleiben für die Finalrunde. Deutschland und Frankreich haben sich souverän qualifiziert. Für Deutschland war das Erreichen des Viertelfinales Pflicht. Für Frankreich ist es ein historischer Erfolg. Von steigender Euphorie ist in Frankreich dennoch wenig zu merken.

Als am vergangenen Dienstag Frankreich das Topspiel gegen Titelfavorit Deutschland bestritt, saßen in Deutschland über 16 Millionen Zuschauer vor den Fernsehern (51,9% Marktanteil). In Frankreich sahen im Schnitt 316.000 Zuschauer das Spiel live auf Eurosport. So viele wie nie zuvor. Der kleine Sender Direct8 übertrug die Partie zeitversetzt. Anpfiff war da erst um 22.40 Uhr. 360 000 Zuschauer schalteten ein, das entspricht einem Marktanteil von 3,3%. Der durchschnittliche Marktanteil von Direct8 liegt bei 2,5%. (mehr dazu gibt's hier)

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Während in Deutschland mehr als die Hälfte aller Fernsehzuschauer das Spiel sahen, war es in Frankreich nicht mal jeder Zehnte. Auch wenn das für Eurosport und Direct8 gute Ergebnisse sind, kann für Frankreich von ganz großer Euphorie nicht die Rede sein.

Das überrascht zumindest ansatzweise, spielt die französische Mannschaft doch die beste WM ihrer Geschichte. Noch nie zuvor hatte sich eine französische Frauenmannschaft bei einer WM für das Viertelfinale qualifiziert. Nach dem Zittersieg gegen Nigeria (1:0) und der Galavorstellung gegen Kanada (4:0) stand die Mannschaft sogar ein paar Tage vor Frauenfußball-Übermacht Deutschland. Doch die Euphoriewelle schwappt nicht über den Rhein. In der großen Tageszeitung Le Parisien wurde über das Spiel Deutschland gegen Frankreich erst auf Seite 20 berichtet. Über Männerfußball berichtet die Zeitung sonst ausführlich und weit vorne im Blatt. Ähnlich ist es beim Onlineangebot der großen Sporttageszeitung L'Equipe. Auch hier ist die WM zwar zu finden, es wird aber alles andere als umfangreich berichtet. Unter einem Interview mit der französischen Torschützin gegen Deutschland, Laura Georges, kommentiert ein Leser was womöglich viele Franzosen denken: „Vu le niveau, je comprends que ce ne soit pas médiatisé. Et franchement, il faut arrêter de comparer avec le foot masculin! Sans être mysogine, le foot féminin n'est pas du tout attractif!!!“ (Übersetzung: Bei dem Spielniveau ist mir klar, dass das in den Medien keine Rolle spielt. Und mal im Ernst, wir dürfen das nicht immer mit dem Männerfußball vergleichen. Ohne frauenfeindlich zu sein, Frauenfußball ist einfach überhaupt nicht attraktiv!!!)

Dabei ist das Spielniveau bei dieser WM deutlich höher als bei den vorherigen Turnieren. Die Leistungsunterschiede sind kleiner geworden. Die knappen Ergebnisse der großen Mannschaften gegen die kleinen zeigen das (z.Bsp. Kolumbien – Schweden 0:1). Und auch der Fall Deutschland spricht eine deutliche Sprache: War die Mannschaft bei der letzten WM komplett ohne Gegentor geblieben (Rekord), gab es dieses Jahr bei der WM in drei Spielen schon drei Gegentore.

Aus deutscher Sicht ist die WM zwar bei weitem keine Neuauflage des Sommermärchens 2006. Ein großer Erfolg ist das Turnier dennoch. Die Einschaltquoten bei Topspielen sind überragend. Und die Stadien sind gut gefüllt. Mehr als 700.000 der 900.000 angebotenen Karten sind verkauft. Damit wurde das Ziel mindestens 80% Stadionauslastung erreicht. Doch wurde mit starken Gruppenrabatten und Freikarten auch viel getan, um Zuschauer in die Stadion zu bekommen. (Mehr dazu: Wer geht da ins Stadion? Auf Zeit Online).

Doch hat diese neue Popularität auch ihre Schattenseiten. Die deutsche Mannschaft hat in den ersten Spielen deutlich unter dem Druck der Öffentlichkeit gelitten. „Natürlich haben die Leute Erwartungen. Und in den ersten beiden Spielen hat uns das ein bisschen gelähmt", beschreibt es die Torfrau Nadine Angerer nach dem Spiel gegen Frankreich. Und auch Trainerin Sylvia Neid zeigt sich überrascht vom Trubel. „Wir haben uns versucht vorzustellen, dass es ein tolles Event wird. Haben aber nicht damit gerechnet, dass unsere Spielerinnen keinen Schritt vor's Hotel mehr machen können.“ Leidtragende war insbesondere Birgit Prinz, die bis dato wichtigste Spielerinn der deutschen Mannschaft. Nach durchwachsenen Leistungen in den ersten beiden Spielen, entbrannte eine heiße Diskussion um ihre Form und ihre Bedeutung für die Mannschaft. Prinz selbst hat das kürzlich so formuliert: „Es hatte was von einer Hetzjagd.“ Ihren Stammplatz scheint sie verloren zu haben. Eines hat sie dabei aber mit Sicherheit gelernt: Frauenfußball ist nach wie vor nicht jedermanns Sache. Er steht aber zur Zeit in Deutschland so sehr im Fokus wie noch nie. Die Spielerinnen der Nationalmannschaft, die in der Bundesliga teilweise vor 500 Zuschauern spielen müssen jetzt erfahren, was es heißt Stars zu sein.

Die Französisinnen sind von dieser Situation noch weit entfernt. Der Druck auf sie ist deutlich geringer. Wahrscheinlich sind sie froh darum. Sie können frei aufspielen. Wer weiß, vielleicht ist das ja der entscheidende Faktor bei einem deutsch-französischen Finale.

Von Till Neumann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen